Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) definiert eine Reihe von festen Referenzpunkten (Temperatur-Fixpunkten), an denen Thermometer – insbesondere Standard-Platin-Widerstandsthermometer (SPRTs) – kalibriert werden. Die relevanten Temperatur-Fixpunkte befinden sich im Temperaturbereich von etwa -190 °C bis 1000 °C (83,8 K bis 1235 K). In diesem Temperaturbereich werden neun solcher offiziellen Temperatur-Fixpunkte verwendet.

Inhalt
Die zum Kalibrieren von Thermometern verwendeten Temperatur-Fixpunkte liegen zwischen dem Tripelpunkt von Argon (≈ -189,34 °C) als niedrigstem Punkt und dem Erstarrungspunkt von Silber (≈ 961,78 °C) als höchstem Punkt im Kontaktthermometrie-Bereich der ITS‑90. Jeder Temperatur-Fixpunkt entspricht einer klar definierten, reproduzierbaren Temperatur einer reinen Substanz im Phasenübergang (Tripelpunkt oder Erstarrungs/Schmelzpunkt), die als Kalibrierreferenz dient. In der folgenden Tabelle sind die relevanten ITS‑90-Temperatur-Fixpunkte und ihre Temperaturen aufgeführt:
Substanz (Zustand) | Temperatur ITS‑90 |
---|---|
Argon (Tripelpunkt) | -189,3442 °C |
Quecksilber (Tripelpunkt) | -38,8344 °C |
Wasser (Tripelpunkt) | 0,01 °C |
Gallium (Schmelzpunkt) | 29,7646 °C |
Indium (Erstarrungspunkt) | 156,5985 °C |
Zinn (Erstarrungspunkt) | 231,928 °C |
Zink (Erstarrungspunkt) | 419,527 °C |
Aluminium (Erstarrungspunkt) | 660,323 °C |
Silber (Erstarrungspunkt) | 961,78 °C |
Diese Temperatur-Fixpunkte bilden die Eckpfeiler für SPRT-Kalibrierungen im praktisch umsetzbaren Bereich der ITS-90. Ein Standard Platin Widerstandsthermometer (SPRT) wird typischerweise an mehreren dieser Punkte kalibriert und die gemessenen Widerstands-Verhältnisse W(T) = R(T)/R(273{,}16\text{ K}) werden zur Interpolation zwischen den Temperatur-Fixpunkten verwendet. Der Tripelpunkt des Wassers (0,01 °C) spielt dabei eine zentrale Rolle, da er zur Normierung (Referenzwiderstand bei 273,16 K) dient und in jeder Kalibrierung vorkommt. Je nach Zielbereich kommen weitere Temperatur-Fixpunkte hinzu – z.B. für eine Kalibrierung bis 232 °C werden meist der Wasser-Tripelpunkt, der Indium- und Zinn-Punkt genutzt, während für Kalibrierungen bis 660 °C auch Zink und Aluminium einbezogen werden. Die genaue Auswahl der benötigten Temperatur-Fixpunkte ist in der Internationalen Temperaturskala von 1990 (ITS-90) definiert. Im Folgenden wird jeder Temperatur-Fixpunkt im Detail erläutert – mit physikalischer Bedeutung, praktischer Realisierung, Rolle bei der SPRT-Kalibrierung sowie Aspekten zu Unsicherheiten, Apparaturen und Verunreinigungen.
Tripelpunkt von Argon (≈ -189,34 °C)
Physikalische Bedeutung: Der Tripelpunkt von Argon liegt bei 83,8058 K (-189,3442 °C) und einem Druck von ca. 0,68 Atmosphären (≈ 69 kPa). An diesem Punkt können feste, flüssige und gasförmige Phase von Argon gleichzeitig im Gleichgewicht existieren. Es ist der niedrigste definierte Temperaturfixpunkt der ITS-90 im hier betrachteten Bereich. Er wird verwendet, um Thermometer bei extrem niedrigen Temperaturen zu Kalibieren. Da flüssiges Argon bei Normaldruck bereits bei ~-185,8 °C siedet, erfordert die Einstellung des Tripelpunktes eine Druckanpassung (etwas unter 1 atm) oder ein abgeschlossenes System. Der Argon-Tripelpunkt ist ein Kryo-Referenzpunkt und ermöglicht die Kalibrierung von Thermometern im tiefen Temperaturbereich bei ca. -190 °C. In der ITS‑90 wird er – zusammen mit dem Quecksilber- und dem Wasser-Tripelpunkt – genutzt, um SPRTs von ~84 K bis 273 K zu kalibrieren. Für Präzisionsmessungen in diesem niedrigen Temperaturbereich ist der Argonpunkt wichtig, da er eine definierte Temperaturvorgabe liefert, an die man z.B. Messungen in flüssigem Stickstoff (ca. 77 K) angleichen kann.
Praktischer Einsatz und Realisierung: Die Realisierung des Argon-Tripelpunktes erfolgt in speziellen Kryo-Apparaturen oder Tripelpunktzellen. Kommerziell erhältlich sind z.B. Argon-Tripelpunkt-Zellen, die mit flüssigem Argon in einem druckgeregelten Dewar arbeiten. Typischerweise wird ein entsprechender Druck (≈0,68 atm) eingestellt, bei dem Argon zu seinem Tripelpunkt Erstarrt. In der Praxis geschieht dies oft, indem flüssiger Stickstoff in einem geschlossenen Gefäß unter Druck gesetzt wird, um den Siedepunkt in Richtung 83,8 K anzuheben. Eine andere Methode ist die Verwendung einer eigenständigen Argon-Zelle: Man füllt hochreines Argon in ein Behältnis, kühlt es unter kontrollierten Bedingungen ab, sodass ein Teil des Argons Erstarrt und flüssig bleibt, und justiert den Druck, bis die Temperatur stabil auf dem Tripelpunkt-Plateau bleibt. Moderne Argon-Tripelpunkt-Systeme können Plateaus von vielen Stunden erreichen (berichtet werden bis zu ~30 Stunden Stabilität) und somit mehrere Thermometer hintereinander kalibrieren. Da flüssiger Stickstoff bei 1 atm etwas kälter ist (77,3 K), arbeitete man früher oft mit dessen Siedepunkt als Referenz. Allerdings liegt dieser ~6 K unter dem Argon-Tripelpunkt, was eine Extrapolation bedeutet und die Unsicherheit erhöht. Durch Erhöhen des Stickstoff-Drucks (oder direktes Verwenden von Argon als Kryogen) kann man die Temperatur näher an 83,8 K bringen und so die Kalibrierunsicherheit signifikant reduzieren.
Unsicherheiten und Einflussfaktoren: Die Reproduzierbarkeit einer Argon-Tripelpunkt-Realisierung liegt in der Größenordnung von Millikelvin oder darunter. Allerdings ist die Beherrschung dieser niedrigen Temperatur anspruchsvoll. Im Vergleich zu Metall-Temperatur-Fixpunkten ist die latente Wärme beim Phasenübergang eines kryogenen Gases sehr gering und auch die Wärmeleitfähigkeit des fest/flüssigen Argons klein. Das bedeutet, dass schon kleinste Wärmelecks oder Umwelteinflüsse die Plateau-Temperatur merklich beeinflussen können. Um Unsicherheiten im Bereich von 0,1-1 mK zu erreichen, müssen Isolierung, Druckstabilität und Temperaturhomogenität optimiert sein. Viele Metrologie-Labore ersetzen den Argon-Tripelpunkt mangels spezialisierter Ausrüstung durch Kalibrierung am Siedepunkt von Stickstoff oder Argon, was jedoch mit höheren Unsicherheiten behaftet ist. – Verunreinigungen: Das verwendete Argon-Gas muss extrem rein sein (Typ. 99,999 % oder besser). Verunreinigungen wie Luftbestandteile (O₂, N₂) könnten das Gleichgewicht stören oder den beobachteten Tripelpunkt geringfügig verschieben. Immerhin kondensieren/sublimieren solche Fremdgase bei ähnlichen Temperaturen und könnten z.B. als flüssige Phase mit vorliegen. In hochwertigen Zellen wird dem durch Gasreinigung und Evakuieren entgegengewirkt. Insgesamt ist der Argon-Tripelpunkt bei sorgfältiger Realisierung ein sehr stabiler Referenzwert; die größte Herausforderung liegt in der technischen Umsetzung bei ~84 K und nicht in der fundamentalen Definition dieses Temperatur-Fixpunktes.
Tripelpunkt von Quecksilber (-38,8344 °C)
Physikalische Bedeutung: Der Tripelpunkt von Quecksilber (Hg) liegt bei 234,3156 K (-38,8344 °C) und tritt bei einem äußerst niedrigen Druck von nur ca. 0,2 mPa auf. Damit befindet er sich praktisch im Vakuum – ein winziger Dampfdruck, bei dem flüssiges, festes und dampfförmiges Quecksilber im Gleichgewicht koexistieren. Diese Temperatur entspricht nahezu dem normalen Erstarrungspunkt von Hg (das bei 1 atm ebenfalls um -38,83 °C erstarrt), aber am Tripelpunkt ist zusätzlich die Gasphase beteiligt, was einen eindeutigen, stabilen Referenzzustand liefert. In der ITS‑90 ist der Hg-Tripelpunkt der einzige definierte Temperatur-Fixpunkt im unterkühlten Bereich unter 0 °C (neben Argon). Er stellt den Startpunkt für die negative Celsius-Skala dar und wird benötigt, um SPRTs unterhalb des Erstarrungspunkts von Wasser zu kalibrieren. Typischerweise wird ein SPRT für den Bereich -39 °C bis +30 °C an den Temperatur-Fixpunkten Quecksilber-Tripelpunkt, Wasser-Tripelpunkt und Gallium-Punkt kalibriert. Dadurch lässt sich die Thermometer-Interpolation über den gesamten Bereich abdecken, einschließlich z.B. -38 °C (Hg) → 0 °C (H₂O) → 30 °C (Ga).
Realisierung und Apparatur: Die praktische Umsetzung des Quecksilber-Tripelpunktes erfolgt in einer geschlossenen Zelle, die eine definierte Menge hochreinen Quecksilbers enthält. Da der Tripelpunkt bei ultraniedrigem Druck liegt, ist es nötig, die Zelle evakuieren zu können. In der Regel besteht eine Hg-Tripelpunkt-Zelle aus einem robusten Edelstahlgefäß mit einem zentrischen Thermometer-Messkanal. Zunächst wird das enthaltene Quecksilber durch Kühlung vollständig oder teilweise gefroren. Anschließend lässt man das System in Richtung -38,834 °C wärmen, während die äußere Umgebung gut isoliert ist und der Zwischenraum über dem Hg gegebenenfalls mit einer Vakuumpumpe auf ~10^-3 Pa niedergepumpt wird. Unter diesen Bedingungen beginnt das Quecksilber zu schmelzen, und es stellt sich eine Tripelpunkt-Mischung ein: Ein Teil des Hg ist fest, ein Teil flüssig, darüber der gesättigte Hg-Dampf. Die Temperatur bleibt nun so lange konstant auf dem Tripelpunkt, wie fest/flüssig Phasen in Kontakt stehen. Mit guten Temperatur-Fixpunkt-Zellen und Techniken kann man sehr lange Plateauzeiten erreichen – Berichte nennen Erstarrungsplateaux von bis zu 14 Stunden und mehr Dauer. Eine Methode zur Optimierung ist das Bilden eines „Eismantels”: Man friert gezielt eine dünne feste Hg-Schicht an der Innenseite des Mantelrohrs (um das Tauchrohr) und isoliert die Zelle dann, so dass das Innere langsam von diesem festen Mantel her wieder schmilzt. Dadurch entsteht ein stabiles innenliegendes Fest/Flüssig-Gleichgewicht. Wichtig ist, dass der Raum oberhalb des Quecksilbers wirklich frei von fremden Gasen ist; oftmals wird die Zelle im Betrieb dauerhaft evakuiert oder in eine Schaumstoffisolierung gepackt, um ein Abpumpen zu vermeiden und Wärmeverluste gering zu halten.
Unsicherheit und Reinheit: Der Quecksilber-Tripelpunkt zählt zu den präzisesten Temperatur-Fixpunkten der Skala. Aufgrund des klar definierten Phasenübergangs und der guten Wärmeleitung im Metall erreicht man eine Reproduzierbarkeit im Bereich weniger 10^{-5} K. Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass bei sorgfältiger Durchführung die Temperatur von Wiederhol-Tripelpunkten innerhalb von ±0,05 mK identisch ist – eine äußerst geringe Streuung. Dies übertrifft oft die Stabilität eines geregelten Kältebades. Die hauptsächlichen Unsicherheitsbeiträge resultieren aus der Thermometer-Messung selbst (Selbsterwärmung, Widerstandsauflösung etc.) und eventuellen Druckänderungen, weniger aus dem Temperatur-Fixpunkt. – Verunreinigungen: Quecksilber muss in höchster Reinheit (≥ 6N, also 99,9999 %) eingesetzt werden. Bereits Spuren von Fremdmetallen oder Gasen können den Tripelpunkt minimal verschieben. So führt z.B. gelöstes Gas (Luft) in Hg bei Erstarrungsbeginn zu kleinen Bläschen und kann lokale Temperaturstörungen verursachen. In hochwertigen Zellen wird das Quecksilber vorab destilliert und die Zelle oft durch Einfrieren/Abpumpen mehrmals gereinigt. Auch die Isotopenzusammensetzung von Hg kann theoretisch Einfluss haben – natürliches Hg besteht aus mehreren Isotopen, und eine Abweichung vom Durchschnitt kann den Tripelpunkt um einige 10^{-5} K ändern. Daher werden in Primärlaboratorien teils spezielle chargen mit bekannter Isotopenverteilung verwendet. Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass ein korrekt aufgebauter Hg-Tripelpunkt zu den verlässlichsten Referenztemperaturen gehört – er war bereits in früheren Skalen (IPTS-68) ein wichtiger Temperatur-Fixpunkt und behält auch in ITS-90 diese Bedeutung.
Tripelpunkt von Wasser (0,01 °C)
Physikalische Bedeutung: Der Tripelpunkt des Wassers ist bei 273,16 K, entsprechend 0,01 °C, festgelegt. An diesem Punkt existieren Eis, flüssiges Wasser und Wasserdampf in Einklang. Der Wasser-Tripelpunkt ist einzigartig, denn ihm wurde per Definition exakt 273,16 Kelvin auf der thermodynamischen Temperaturskala zugewiesen (dies war früher die Grundlage der Kelvin-Definition). Somit ist er per Definition frei von experimenteller Unsicherheit – in der Praxis natürlich nur in idealer Realisierung. Der TPW („Triple Point of Water“) ist das Fundament jeder Temperatur-Kalibrierung: Er bildet den Temperatur-Fixpunkt, auf den alle anderen Messungen rückführbar sind. Insbesondere wird bei SPRTs der Widerstand bei 0,01 °C als Referenzwert R(273{,}16\,\text{K}) genommen, um daraus das relative Verhältnis W(T) zu bilden. Dadurch heben sich viele systematische Fehler heraus, und man erreicht eine hohe Präzision. Der Wasser-Tripelpunkt liegt genau auf der Celsius-Skala bei 0,01 °C, also minimal über dem Erstarrungspunkt bei Normaldruck (0 °C). Er ist leicht zugänglich und doch extrem stabil – ideal für den Laborgebrauch weltweit.
Praktischer Einsatz und Realisierung: Tripelpunktzellen für Wasser sind Standardausrüstung in Metrologie-Labors. Eine TPW-Zelle besteht aus einem Glas- oder Quarzgefäß, das hochreines Wasser (meist in definierter Isotopenzusammensetzung, z.B. VSMOW) und ein Vakuum über der Wasseroberfläche enthält. Die Herstellung eines Tripelpunkt-Zustands erfolgt durch Bildung einer Eismantel-Schicht in der Wasser-Tripelpunkt-Zelle: Üblich ist die „innen gefrorene Mantelmethode“. Dabei wird das Innen-Thermometerwell der Zelle z.B. mit einem in flüssigem Stickstoff gekühlten Einsatz oder durch ein gesondertes Kühlinsert soweit abgekühlt, dass sich an der Innenseite um den Messkanal eine Eisschicht bildet. Man strebt einen geschlossenen Eisring entlang des Innenrohres an. Anschließend entfernt man das Kühlgerät und lässt die Zelle bei Umgebungstemperatur (meist TPW-Zellen werden in einem Thermostaten oder einfach bei Raumtemperatur gehalten) langsam erwärmen. Durch die latente Wärme des schmelzenden Eises pendelt sich die Temperatur an der Wasser/Eis-Grenzfläche exakt bei 0,01 °C ein und bleibt dort konstant, solange genügend Eis und Wasser vorhanden sind. Eine gut präparierte Zelle kann stunden-, tage-, wochen- und monatelang ein stabiles Plateau liefern.
Genauigkeit und Einflussfaktoren: Da der Wasser-Tripelpunkt die Basis der Skala ist, wurden ihm über Jahrzehnte intensive Untersuchungen gewidmet. Neue, hochwertige Zellen zeigen Abweichungen vom idealen Wert unter 10 µK (Mikrokelvin) aufgrund minimaler Verunreinigungen. Ältere oder weniger reine Zellen können eine Drift von ~50 µK aufweisen, was aber immer noch extrem gering ist. Die Reproduzierbarkeit zwischen verschiedenen Zellen und Laboratorien liegt im Bereich einiger zehn Mikrokelvin – internationale Vergleichsmessungen fanden Standardabweichungen um 0,00005 °C. Damit ist der TPW der stabilste Temperatur-Fixpunkt überhaupt. In der praktischen Anwendung muss jedoch eine Korrektur beachtet werden: der hydrostatische Druckeffekt. Da das Thermometer in der Zelle meist ~25 cm tief eingetaucht wird, herrscht am Messfühler ein etwas höherer hydrostatischer Druck als an der Eis/Wasser-Oberfläche. Pro cm Wassersäule sinkt die Gleichgewichtstemperatur um rund 7,3∙10^-5 K. Bei ~25 cm Höhe ergibt sich etwa -0,18 mK Korrektur. Diese wird entweder berechnet und addiert oder im Kalibrierschein bereits berücksichtigt. Die Unsicherheit dieser Korrektur ist sehr klein (einige µK) , solange Höhe und Koeffizient bekannt sind. – Verunreinigungen: Reinheit ist beim TPW zentral. Man verwendet destilliertes, gasfrei gemachtes Wasser, idealerweise mit definierter isotopischer Zusammensetzung (z.B. VSMOW, „Vienna Standard Mean Ocean Water“). Abweichungen in der Isotopenzusammensetzung (Anteil von Deuterium oder ^18O) können den Tripelpunkt um einige 0,1 mK verschieben; handelsübliches destilliertes Wasser kann daher leicht messbare Differenzen zum idealen 273,16 K verursachen. Ebenso wichtig ist die Reinheit des Behältermaterials: Quarz-Glaszellen werden bevorzugt, da normales Borosilikatglas mit der Zeit winzige Mengen an Alkaliionen ins Wasser abgeben kann, was den Tripelpunkt senkt. Ferner sollte kein Fremdgasaustausch stattfinden – deshalb sind Zellen in der Regel dauerhaft verschlossen (versiegelt), oft mit einem kleinen Restgasdruck der eigenen Wasserdampfphase. Bei sorgfältiger Beachtung all dieser Faktoren liefert der Wasser-Tripelpunkt eine unübertroffen präzise Referenz.
Schmelzpunkt von Gallium (29,7646 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Gallium schmilzt bei 29,7646 °C (ca. 302,9146 K). Dieser relativ niedrige Schmelzpunkt (etwas über Raumtemperatur) ist ein definierter Temperatur-Fixpunkt der ITS-90. Gallium hat die besondere Eigenschaft, dass es beim Erstarren ausdehnt (ähnlich wie Wasser) und dass sein Tripelpunkt praktisch beim gleichen Temperaturwert liegt, da der Dampfdruck von Gallium bei ~30 °C extrem gering ist. Für Kalibrierzwecke nutzt man in der Regel den Schmelzpunkt (MP), d.h. den Übergang von fest zu flüssig unter leichtem Überdruck oder Atmosphärendruck. (NIST beispielsweise realisiert Gallium bei einem minimal erhöhten Druck als „Tripelpunkt“ bei 29,7666 °C, um die Unsicherheit weiter zu verringern , aber der Unterschied zum Schmelzpunkt bei 1 atm ist im Mikrokelvinbereich.) Der Gallium-Fixpunkt füllt eine Lücke im Temperaturbereich der Skala: Er stellt einen präzisen Referenzwert nahe 30 °C bereit. Damit kann man SPRTs im Bereich von 0 °C bis ~30 °C deutlich genauer interpolieren, als wenn man nur 0 °C und z.B. 156 °C (Indium) hätte. So sieht ITS-90 für den Bereich 0 °C bis 30 °C vor, dass bei 29,7646 °C eine Kalibrierung erfolgt – in einfachen Fällen reicht also Wasser-Tripelpunkt und Gallium-Schmelzpunkt zur Kalibrierung dieses Segments.
Realisierung und typische Apparatur: Der Gallium-Schmelzpunkt ist vergleichsweise leicht realisierbar. Üblicherweise verwendet man einen zylindrischen „Fixpunkt-Kelch“ (etwa aus Edelstahl oder PTFE-Auskleidung) gefüllt mit einigen hundert Gramm hochreinem Gallium (mindestens 6N). Durch die Nähe zur Raumtemperatur benötigt man keine aufwendigen Hochtemperaturöfen; ein einfaches thermostatisches Bad oder eine kleine Heiz-/Kühlapparatur genügt. Gallium neigt allerdings stark zum Unterkühlen: Flüssiges Ga kann weit unter 29,7646 °C abgekühlt werden, ohne zu erstarren, wenn keine Kristallkeime vorhanden sind. Deshalb wird der Temperatur-Fixpunkt zumeist als Schmelzplatteau angefahren, nicht als Erstarrungsplateau. Praktisch geht man so vor: Man lässt das gesamte Gallium zunächst erstarren (z.B. durch Kühlung der Zelle auf ~20 °C). Danach bringt man die Zelle in ein leicht erwärmtes Bad (ca. 30,5 °C) und beobachtet die Temperatur im Inneren. Sobald das Gallium gerade zu schmelzen beginnt, pendelt sich die Temperatur auf dem Schmelzpunkt ein und bleibt dort, solange noch fester Galliumkern vorhanden ist. Das Thermometer wird in den flüssigen Anteil getaucht (durch einen zentrales Messkanal). Durch die Schmelzwärme bleibt die Temperatur exakt auf 29,7646 °C, bis das letzte Stück festes Ga geschmolzen ist. Dieser Prozess erzeugt ein ausgedehntes Plateau bei konstanter Temperatur. Alternativ kann man auch kontrolliert nur einen Teil schmelzen (indem man die Zelle knapp unter MP hält), um längere Plateaus zu erhalten. In allen Fällen ist wichtig, mechanische Erschütterungen zu vermeiden, weil diese Kristallkeime erzeugen könnten (beim Schmelzplateau weniger kritisch als beim Erstarrungen). Gallium-Fixpunktzellen gibt es auch kommerziell; manche besitzen einen geringfügigen Überdruck an Argon, um sicherzustellen, dass keine Fremdluft eindringt und um den Tripelpunkt anstatt den reinen Schmelzpunkt zu realisieren – dieser Unterschied ist jedoch vernachlässigbar klein.
Unsicherheiten und Reinheit: Der Gallium-Schmelzpunkt zeichnet sich durch sehr geringe Unsicherheiten aus. Zum einen ist die Temperatur relativ niedrig, sodass Wärmeverluste leicht zu kontrollieren sind, zum anderen ist die Plateau-Temperatur sehr gut reproduzierbar. In top-metrologischen Anwendungen wird eine Gesamtabweichung von <<1 mK erreicht; typische erweiterte Unsicherheiten liegen im Bereich 0,5 mK oder darunter. Beispielsweise bevorzugt NIST Gallium als Tripelpunkt zu realisieren, um eine Standardunsicherheit von etwa 0,1 mK zu erzielen. Zum Vergleich: Ein hochwertiges Wasserbad bei 30 °C hat Schwankungen im Millikelvinbereich – ein Gallium-Fixpunkt ist also nochmals stabiler und dient häufig dazu, Thermometer bei ~30 °C zu überprüfen oder Justagen von industriellen Sensoren zu validieren. – Verunreinigungen: Gallium muss mit sehr hoher Reinheit eingesetzt werden. Metallische Verunreinigungen (z.B. Spuren von Indium, Blei, etc.) würden den Schmelzpunkt erniedrigen (Erstarrungspunktdepression). Die ITS-90 Guides empfehlen, mindestens 6N-Material zu verwenden und die Summe der Verunreinigungen auf wenige ppm maximal zu begrenzen. Glücklicherweise ist Ga chemisch relativ inert gegenüber Glas oder Quarz, sodass das Behältermaterial kaum Kontamination verursacht. Eine mögliche Störquelle ist Oxidation: Gallium bildet an Luft schnell eine dünne Oxidschicht (Ga₂O₃). Diese kann die Schmelze erschweren und evtl. zu einem leichten Hysterese-Effekt führen. Um dem vorzubeugen, wird oft eine Schutzatmosphäre (z.B. Argon) im Zellraum benutzt, oder die Zelle wird nach Befüllen vakuumdicht verschlossen. Insgesamt kann man Gallium-Temperatur-Fixpunkte so betreiben, dass der Einfluss von Verunreinigungen deutlich unter 0,1 mK bleibt. Der Schmelzpunkt von Gallium hat sich daher als handlicher, verlässlicher Kalibrierpunkt knapp über Raumtemperatur etabliert.
Erstarrungspunkt von Indium (156,5985 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Indium besitzt einen Erstarrungs- bzw. Schmelzpunkt bei 156,5985 °C (429,7485 K). (Erstarrungspunkt = Temperatur, bei der flüssiges Indium bei Normaldruck zu erstarren beginnt; entspricht dem Schmelzpunkt des festen Indiums beim Erwärmen.) Indium ist ein relativ weiches Schwermetall, dessen Schmelztemperatur moderat hoch ist, was es ideal als kalibrierbaren Temperatur-Fixpunkt macht. Wichtig: Der Indium-Punkt wurde in der ITS‑90 neu eingeführt (im Vorgänger IPTS-68 gab es keinen definierenden Punkt bei ~156 °C). Dadurch kann die Temperaturskala in diesem Bereich präziser realisiert werden. Der Indium-Temperatur-Fixpunkt füllt die Lücke zwischen Gallium (30 °C) und Zinn (232 °C). Für eine Kalibrierung bis ~230 °C zieht man ihn zur Verbesserung der Interpolation heran: z.B. für 0-232 °C werden Wasser-, Indium- und Zinn-Punkt genommen. Auch bei Kalibrierungen bis ~156 °C (also z.B. für medizinische oder Labor-Thermometer) nutzt man typischerweise den Indium-Punkt als obersten Wert neben dem TPW.
Realisierung: Der Indium-Erstarrungspunkt kann in einer Metall-Fixpunktzelle realisiert werden, ähnlich wie für Zinn oder andere Metalle. Eine typische Zelle besteht aus einem reinem Graphittiegel, der ~0,5-1 kg Indium enthält, mit einem zentralen Tauchrohr (Messkanal) für das Thermometer. Graphit wird verwendet, da es bei hohen Temperaturen inert ist und Indium nicht verunreinigt. Die Zelle wird in einem temperaturgeregelten Kalibrierofen oder einer Heat-Pipe betrieben, das auf etwa 5-10 °C über dem Schmelzpunkt erhitzt werden kann. Zur Durchführung des Temperatur-Fixpunktes wird zunächst das gesamte Indium aufgeschmolzen (z.B. bei ~161 °C über einige Stunden, um sicherzustellen, dass keine festen Reste bleiben). Danach lässt man den Ofen langsam abkühlen. Um ein reproduzierbares Plateau zu erreichen, induziert man gezielt den Erstarrungsprozess: Häufig wird leichtes Unterkühlen zugelassen (z.B. Abkühlung auf ~155 °C, ein bis zwei Grad unter dem FP), dann wird durch eine kleine Störung ein Kristallisationskeim erzeugt – etwa durch einen Super-Cool. Daraufhin beginnt Indium zu erstarren und gibt Schmelzwärme ab. Die Temperatur steigt an und pendelt sich genau bei 156,5985 °C ein. Nun hält man den Ofen knapp unter dieser Temperatur, sodass das Indium sehr langsam weiter erstarrt. In dieser Phase bleibt die Temperatur als Plateau konstant. Je größer die Metallmenge und je langsamer die Abkühlrate, desto länger und flacher das Plateau – mehrere Stunden sind erreichbar. Das Thermometer (SPRT) erfasst dabei die Temperatur im Zentrum des Tiegels. Indium hat eine relativ geringe Wärmeleitfähigkeit, aber durch den Graphittiegel und Konvektion im Schmelz (sofern vorhanden) wird die Temperaturverteilung homogenisiert.
Messgenauigkeit und Verunreinigungen: Ein sauber realisierter Indium-Fixpunkt bietet eine hervorragende Reproduzierbarkeit, typischerweise im Bereich von 1 mK oder besser. Nationale Metrologieinstitute weisen dem Indium-Punkt sehr kleine Unsicherheiten zu, oft dominiert von systematischen Komponenten wie der Reinheitskorrektur. Die latente Wärmemenge beim Indium-Übergang (~28 J/g) ist zwar geringer als bei Zinn oder Zink, aber ausreichend, um ein stabil flaches Plateau zu gewährleisten. Wichtig ist, dass keine starken Temperaturgradienten im Ofen vorhanden sind; hochwertige Mehrzonenöfen oder Flüssigkeitsbäder sorgen für isotherme Bedingungen im Bereich von einigen Millimetern über die Zellhöhe. – Verunreinigungen: Hier liegt eine zentrale Unsicherheitsquelle. Um den wahren Erstarrungspunkt von reinem Indium abzuleiten, muss die Indium-Charge extrem rein sein (≥ 99,9999 %). Fremdmetalle wie Blei, Zinn, Cadmium etc. könnten Legierungen bilden und den Erstarrungspunkt senken. Metrologisch wird die Reinheit auf mehrere Arten beurteilt: Chemische Analyse (Umfang und Art der Verunreinigungen in ppm), Summenformeln nach Raoult (um daraus eine theoretische Temperaturerniedrigung abzuschätzen) und vor allem die Analyse der Erstarrungskurve. Letzteres bedeutet: Man zeichnet die Plateau-Temperatur vs. Zeit bzw. vs. Erstarrungsfortschritt auf. Bei absolut reinem Material bleibt die Temperatur bis zum Ende konstant; bei geringfügig verunreinigtem Material zeigt sie oft gegen Ende einen leichten Abfall, weil die verbleibende flüssige Phase zunehmend angereichert an Verunreinigung ist (was den lokalen Schmelzpunkt reduziert). Durch Extrapolation auf den Zeitpunkt des Erstarrungsbeginns (bzw. auf „0 % erstarrt“) kann man die ursprüngliche Temperatur ermitteln, die dem reinen Stoff entspricht. In der Praxis sind Indium-Fixpunktzellen heute so rein, dass diese Korrekturen sehr klein sind, oft unter 0,5 mK. Die Restabweichung wird als Unsicherheit budgetiert. Indium reagiert kaum mit Graphit oder Quarz, und Oxidbildung (In₂O₃) ist bei 156 °C nicht stark ausgeprägt – dennoch wird meist unter Schutzgas (z.B. Argon) gearbeitet, um Oxid und Nässe auszuschließen. Zusammenfassend liefert der Indium-Punkt einen zuverlässigen Kalibrierwert im unteren mittleren Temperaturbereich, was die Messsicherheit zwischen 30 °C und 232 °C deutlich erhöht.
Erstarrungspunkt von Zinn (231,928 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Zinn (Sn) hat einen Erstarrungs- bzw. Schmelzpunkt bei 231,928 °C (505,078 K). Dieses Metall war schon in früheren Temperaturskalen (z.B. IPTS-68) ein wichtiger Temperatur-Fixpunkt und wurde in der ITS‑90 als definierender Punkt übernommen. Der Zinn-Punkt markiert den Übergang vom „niedrigen“ zum „mittleren“ Temperaturbereich der ITS-90. Er liegt deutlich über dem Siedepunkt von Wasser und noch unterhalb der Rotglut-Grenze (ca. 300 °C), weshalb er mit Flüssigkeitsbädern oder einfachen Öfen noch gut handhabbar ist. Der Zinn-Fixpunkt dient zur Kalibrierung von SPRTs bis ~232 °C. Beispielsweise wird für eine Kalibrierung 0-419 °C der Zinn-Punkt zusammen mit dem TPW und dem Zink-Punkt verwendet. Aber auch in kleineren Bereichen (0-232 °C) kommen oft Indium und Zinn gemeinsam zum Einsatz, um die Skala in zwei Segmente zu unterteilen. Der Vorteil der Aufnahme des Zinn-Punktes liegt in der Verbesserung der Interpolationsgenauigkeit um den Siedepunkt von Wasser (100 °C) und darüber hinaus bis ~200 °C.
Realisierung: Der Zinn-Fixpunkt wird wie andere Temperatur-Fixpunkte in einer Graphit-Tiegelzelle mit zentralem Thermometer-Einsatz realisiert. Hochreines Zinn (6N-Qualität oder besser) wird im Tiegel durch Aufheizen vollständig geschmolzen (z.B. auf ~240-250 °C). Anschließend lässt man das System kontrolliert abkühlen. Zinn besitzt eine ziemlich hohe latente Schmelzwärme (~60 J/g), was tendenziell sehr stabile Plateaus erzeugt, da während des Erstarren viel Energie abgegeben wird, die den Temperaturabfall bremst. Meist wartet man, bis die Temperatur etwa 1-2 K unter den Nominalwert gefallen ist (um eine leichte Unterkühlung zu erreichen), und löst dann den Erstarrungsvorgang aus: Das kann durch einen Super-Cool geschehen. Sobald das Erstarren einsetzt, steigt die Temperatur auf den Erstarrungspunkt und bleibt stabil. Der Ofen wird so geregelt, dass er wenige Zehntel Grad unter 231,928 °C liegt, um weder Wärme einzutragen noch zu stark zu kühlen. In diesem Gleichgewichtsszenario verfestigt sich das Zinn langsam von den Keimen aus. Ein Plateau von mehreren Stunden ist erreichbar. Während dieser Zeit wird mit dem SPRT der Widerstand gemessen, der – abgesehen von minimalem Rauschen – konstant bleibt. Die Temperatur der Umgebung (Ofen) kann leicht moduliert werden, um das Plateau zu verlängern (nach dem Motto: wenn die Temperatur leicht sinkt, Heizleistung minimal erhöhen, usw.), wobei erfahrene Anwender dies manuell oder mittels langsamer Regelung steuern.
Leistungsverhalten und Genauigkeit: Zinn-Temperatur-Fixpunktzellen haben sich als sehr robust und reproduzierbar erwiesen. Die Wiederholpräzision liegt in gut gebauten Zellen bei 1-2 mK oder besser. In internationalen Vergleichen und beim Einsatz als Sekundärstandard kann man Verteilungen im einstelligen Millikelvinbereich erwarten. Größere Unsicherheiten entstehen meist durch das Thermometer (Selbsterwärmung, Isolationsfehler) oder durch unvollständige Realisierung (z.B. zu kurze Plateauzeit, Gradient in der Zelle). Bei Primärlaboratorien wird die Standardunsicherheit des Zinn-Punktes oft mit etwa 0,5-1 mK angegeben. Interessanterweise zeigte die Umstellung von IPTS-68 auf ITS-90 beim Zinnpunkt einen kleinen Temperaturversatz (die Skalen wichen um einige mK ab), aber in ITS-90 gilt der Wert 231,928 °C als offizieller Richtwert. – Verunreinigungen: Wie bei allen Temperatur-Fixpunkten spielt die Materialreinheit eine entscheidende Rolle. Zinn sollte 99,999 % oder reiner sein. Häufige Verunreinigungen in technischem Zinn sind z.B. Blei, Antimon, Kupfer; schon wenige ppm davon können den Erstarrungspunkt merklich senken. Daher wird Temperatur-Fixpunkt-Zinn entweder aus chemisch sehr reinem Material hergestellt oder durch Zonenschmelzen gereinigt. Die Auswirkung von Verunreinigungen wird analog zu Indium beurteilt: Durch Summenformeln oder Kurvenauswertung. Praktisch erkennt man eine Verunreinigung oft an einem leicht geneigten Plateau (temperaturabfallend im Verlauf). Aus dem Neigungswinkel kann man auf die Verunreinigungsmolelfraction schließen. Übliche Temperatur-Fixpunktzellen zeigen jedoch kaum Neigung – Indiz für vernachlässigbare Verunreinigungen. Ein weiterer Aspekt ist Oxidation: Flüssiges Zinn bildet an Luft sofort eine Oxidschicht (SnO₂) an der Oberfläche. Diese kann das Erstarren beeinflussen (z.B. verzögerte Keimbildung, unvollständiger Wärmeübergang). Um dem entgegenzuwirken, versieht man die Zelle oft mit einer Argon-Schutzatmosphäre oder deckt die Schmelze im Tiegel mit einem leichten Graphitpulver oder Glasdeckel ab. Graphit reduziert Zinnoxid zu einem gewissen Grad, was ebenfalls hilfreich ist. Solche Maßnahmen garantieren, dass der effektive Erstarrungspunkt dem idealen möglichst entspricht. Insgesamt ist der Zinn-Erstarrungspunkt ein bewährter, vergleichsweise leicht handhabbarer Temperatur-Fixpunkt mit sehr geringer Unsicherheit im mittleren Temperaturbereich.
Erstarrungspunkt von Zink (419,527 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Zink (Zn) besitzt einen Erstarrungspunkt bei 419,527 °C (692,677 K). Dies ist bereits ein relativ hoher Temperaturbereich für Widerstandsthermometer. Der Zink-Punkt wurde in der ITS‑90 anstelle des früher gebräuchlichen Schwefel-Punktes (Siedepunkt von Schwefel ~444,6 °C in IPTS-68) als Temperatur-Fixpunkt gewählt, da Metall-Temperatur-Fixpunkte in der Regel reproduzierbarer und einfacher handhabbar sind. Mit ~419,5 °C deckt der Zink-Punkt den Beginn des oberen Temperaturbereichs für SPRTs ab. In Kalibrierungen kommt der Zink-Punkt beispielsweise zum Einsatz, wenn ein SPRT bis ~420 °C genutzt werden soll: Man kalibriert dann typischerweise bei TPW (0,01 °C), Zinn (231,928 °C) und Zink (419,527 °C). Auch für eine Kalibrierung bis 660 °C ist Zink ein Zwischenpunkt (TPW, Sn, Zn, Al). Der Wert nahe 420 °C ist besonders relevant für industrielle Temperaturmesstechnik (z.B. Öfen, Thermoelemente), daher ist der Zink-Fixpunkt metrologisch bedeutsam.
Realisierung: Der Zink-Fixpunkt erfordert bereits einen Hochtemperaturofen oder eine Heat-Pipe, das ~430-440 °C erreichen kann. Oft werden dreizönige Vertikalöfen verwendet, um Temperaturgradienten zu minimieren. Die Zelle selbst besteht wieder aus Graphit, da Metalle bei diesen Temperaturen stark mit vielen Materialien reagieren würden. Graphit ist inert unter Argon und kann die hohen Temperaturen aushalten. Für die Realisierung wird zunächst das Zink vollständig geschmolzen (bei ~430-450 °C gehalten, um Homogenisierung zu gewährleisten). Dann kühlt man das System ab. Zink hat eine sehr große Schmelzenthalpie (über 100 J/g), was bedeutet, dass beim Erstarren enorm viel Wärme frei wird – ein Vorteil für ein langes Plateau. Nach einer eventuellen leichten Unterkühlung (1-2 K unter FP) wird das Erstarren eingeleitet, z.B. indem man mit einem kalten Draht das Metall berührt oder den Tiegel leicht erschüttert. Daraufhin bildet sich ein Erstarrungsfront, meist beginnend an der Tiegelwand, und die Temperatur steigt auf 419,527 °C. Durch die hohe latente Wärme bleibt sie dort stehen, auch wenn der Ofen leicht kühler ist. Eine Herausforderung bei Zink ist jedoch, dass die Umgebungsluft und Strahlungsverluste bei ~420 °C beträchtlich sind. Um das Plateau zu halten, muss der Ofen daher so geregelt sein, dass er genau die richtige Menge an Wärme zuführt – weder zu viel (dann würde Zink wieder schmelzen und Temperatur erhöhen) noch zu wenig (dann würde das Plateau vorzeitig enden). In gut ausgelegten Anlagen kann man Plateaus mehreren Stunden erzielen, genügend Zeit, um mehrere Messungen mit dem SPRT durchzuführen.
Unsicherheit und Besonderheiten: Der Zink-Punkt kann sehr präzise reproduziert werden, aber die praktischen Unsicherheiten sind hier meist etwas größer als bei den niedrigeren Punkten. Dies liegt an Faktoren wie: stärkere Wärmestrahlung (kann Thermometer oder Messbrücke beeinflussen), höhere Empfindlichkeit gegenüber Ofen-Gradienten, sowie langsamere Diffusion, falls es Verunreinigungen gibt. Dennoch berichten Primärlaboratorien von Standardunsicherheiten um ±1-2 mK für den Zink-Temperatur-Fixpunkt. Die Messunsicherheit eines SPRT bei 420 °C liegt typischerweise bei einigen Millikelvin, wovon ein guter Teil bereits von der Temperatur-Fixpunkt-Realisation stammt. Durch Überschichtung der Ofenzonen (Topf- und Bodenheizung) kann man den axialen Temperaturgradienten im Zellbereich auf wenige Millikelvin/cm reduzieren, was für die Gleichmäßigkeit im ~10 cm hohen Nutzbereich des Tiegels sorgt. – Verunreinigungen: Zink muss in sehr hoher Reinheit eingesetzt werden, da es als unedles Metall viele Fremdmetalle in Lösung nehmen kann. Man verwendet 5N oder 6N Zink; typische Verunreinigungen wie Pb, Cd, Fe müssen insgesamt im ppm-Bereich oder darunter liegen. Eine Besonderheit bei Zink ist die potentielle Aufnahme von Sauerstoff: Zink schmilzt bei hoher Temperatur und kann Sauerstoff aus dem Tiegelmaterial oder eingeschlossene Luft aufnehmen und Zinkoxid bilden. Zinkoxid hat einen deutlich höheren Schmelzpunkt (~1975 °C) und scheidet sich beim Abkühlen als feste Partikel ab. Diese können als Keime fungieren oder die effektive Reinheit mindern. Daher versieht man Zink-Zellen in der Regel mit einer gereinigten Argon-Atmosphäre. Graphit als Tiegel hilft zusätzlich, da es Sauerstoff bindet (CO/CO₂ Bildung) und somit als „Getter“ wirkt. Wie bei Indium und Zinn wird auch bei Zink der Erstarrungsvorgang genau beobachtet: Ein flaches Plateau über die gesamte Dauer weist auf sehr geringe Verunreinigungen hin; ein Plateau mit merklicher Neigung könnte auf ppm-Spuren hinweisen, die den Schmelzpunkt etwas variieren. Oft extrapoliert man in solchen Fällen den Beginn des Plateaus als wahren Temperatur-Fixpunkt. Unter dem Strich ist der Zink-Punkt aber gut beherrschbar und unverzichtbar für Kalibrierungen im oberen PRT-Bereich.
Erstarrungspunkt von Aluminium (660,323 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Aluminium (Al) schmilzt/erstarrt bei 660,323 °C (933,473 K). Dies ist der höchste definierte Temperatur-Fixpunkt, den die meisten Standard-Platinthermometern (SPRTs) erreicht werden. Darüber werden sogenannte Hochtemperatur-SPRTs eingesetzt (HTSPRTs – High Temperature SPRTs), die üblicherweise einen sehr viel kleineren Nennwert als z.B 25 Ohm besitzen. Der Aluminium-Punkt ist somit enorm wichtig, um die größte Zahl der benutzten SPRTs bis an ihre Einsatzgrenze (~660 °C) zu kalibrieren. Eine typische Kalibrierung von 0 °C bis 660 °C umfasst den Wasser-Tripelpunkt, sowie die Erstarrungspunkte von Zinn, Zink und Aluminium. Viele hochwertige SPRTs sind nur bis 660 °C ausgelegt, da jenseits davon das Platin schnell altert. In industrieller Hinsicht deckt 660 °C bereits weite Felder ab (z.B. Al- und Zn-Guss, Laboröfen, etc.), daher hat der Al-Fixpunkt erheblichen praktischen Nutzen.
Realisierung: Die Realisierung des Aluminium-Fixpunkts stellt erhöhte Anforderungen an die Apparatur. Man benötigt einen Hochtemperatur-Ofen, der stabil bei ~660 °C gehalten werden kann. Meist kommen Drei-Zonen-Röhrenöfen oder Heat-Pipes zum Einsatz, um über die Länge der Temperatur-Fixpunktzelle einen gleichmäßigen Temperaturverlauf zu schaffen. Die Zelle selbst besteht aus einem Graphittiegel mit reinem Aluminium (etwa 0,5-1 kg) und zentralem Messrohr. Graphit ist hier zwingend, da Aluminium sehr reaktiv ist: Es würde mit Keramik oder Metalltiegeln reagieren (Aluminium legiert z.B. mit Eisen) und Sauerstoff aus oxidhaltigen Materialien ziehen. Graphit hingegen kann zwar langsam mit Aluminium karbidisieren, aber bei Einmal- oder Kurzzeitverwendungen ist das vernachlässigbar, zumal inert gas vorhanden ist. Die Zelle wird typischerweise unter Argon-Atmosphäre betrieben, um Oxidation zu verhindern. Zum Ablauf: Zuerst wird das Al vollständig geschmolzen (bei ~670-680 °C für einige Zeit, damit auch der letzte Kristall schmilzt und das Material homogen wird). Dann regelt man den Ofen langsam herunter. Aluminium neigt dazu, ohne starke Unterkühlung nicht spontan zu erstarren, insbesondere wenn keine Kristallkeime vorhanden sind und die Wände gut nucleationsfrei sind. Daher wird oft ein Keimtrick angewandt: Wenn die Temperatur einige Grad unter 660,3 °C gefallen ist (z.B. ~658 °C), führt man einen „kalten“ Gegenstand ein – z.B. einen dünnen Quarzstab ein (der sogenannte Super-Cool). Dadurch entsteht augenblicklich ein Erstarrungskeim und das Aluminium beginnt zu kristallisieren. Dabei steigt die Temperatur auf den Erstarrungspunkt an. Nun hält man den Ofen knapp darunter (~659 °C), um ein langsames, kontrolliertes Erstarren zu ermöglichen. Durch die hohe Schmelzwärme (~400 J/g, eine der höchsten unter den ITS-90-Temperatur-Fixpunkten) bleibt die Temperatur sehr stabil. Ein gut erstelltes Plateau kann Stunden anhalten. Längere Plateaus sind schwierig, da bei so hoher Temperatur unvermeidlich Verluste auftreten und das Aluminium nach vollständigem Erstarren die Temperatur wieder zu fallen beginnt.
Unsicherheit und Herausforderungen: Die Messunsicherheiten am Aluminium-Punkt sind in der Regel etwas größer als bei den niedrigeren Metallpunkten. Top-Labore erzielen zwar immer noch erstaunliche Präzision (einige mK), aber die Reproduzierbarkeit zwischen verschiedenen Realisierungen oder Zellen kann z.B. ±2-5 mK betragen. Hauptgründe: Verunreinigungs-Effekte schlagen hier stärker zu Buche (denn wenige ppm Fremdstoffe können einige mK bewirken, und bei 660 °C diffundieren oder reagieren Materialien schneller), und thermische Gradienten sind schwerer völlig auszuschließen. Dennoch lässt sich der Al-Punkt sehr gut als Kalibrierreferenz nutzen, da die Abweichung vom idealen Wert meist durch bekannte Korrekturen erfasst werden kann. So wird in der Praxis oft eine Reinheitskorrektur angewandt: Aus dem Zertifikat des Herstellers oder durch nachträgliche Analysen ermittelt man die Summe der Verunreinigungen im Aluminium und schätzt damit die Temperaturerniedrigung ab. Beispielsweise hat Silizium oder Eisen im Aluminium deutliche Auswirkungen (mehrere mK pro ppm). Eine andere Methode ist, den Beginn des Erstarrungsplateaus als Referenz zu nehmen, da zu diesem Zeitpunkt das meiste Verunreinigungselement noch gleichmäßig verteilt ist. In der Mitte oder zum Ende des Plateaus können sich Verunreinigungen im Restschmelze anreichern und das Plateau leicht nach unten ziehen. So berichteten etwa Widiatmo et al. (PTB) von Analyseverfahren, um aus dem Plateauverlauf die effektive Reinheit abzuleiten. – Verunreinigungen und Materialprobleme: Aluminium hoher Reinheit (meist 5N5 bis 6N, also 99,9995 % oder mehr) ist notwendig. Typische Verunreinigungen sind z.B. Cu, Si, Fe, Ga. Besonders Si und Fe lösen sich gut in flüssigem Al und verschieben den Erstarrungspunkt deutlich. Auch Wasserstoff stellt ein Problem dar: Flüssiges Al kann Wasserstoff aus Restfeuchte oder organischen Stoffen lösen (ähnlich wie Silber O₂ löst). Beim Erstarren scheidet der Wasserstoff aus (Porenbildung), was Temperatureffekte und Störungen der Kristallisation verursachen kann. Daher achtet man darauf, dass alle Komponenten trocken und sauber sind; oft wird die Zelle vor dem Befüllen im Vakuum ausgeheizt. Graphit-Tiegel können mit der Zeit mit Al reagieren (Bildung von Al_4C_3), was das Al konsumiert und theoretisch den FP verändert; allerdings passiert dies meist erst bei längerer Haltezeit oder mehrfacher Wiederbenutzung. Frische Graphittiegel haben manchmal lose Partikel, die als Verunreinigung wirken könnten – daher werden sie vorab ausgeglüht und ausgeblasen. Oxidation: Aluminium bildet an Luft sofort eine Al₂O₃-Schicht, die sehr stabil ist. In der Schmelze kann diese als Schlacke oben schwimmen. Wenn beim Erstarren diese Oxid“haut“ eine Hohlkugel bildet, kann es vorkommen, dass das Aluminium gleichzeitig an der Wand und im Kern erstarrt, was ein sogenanntes Doppelfront-Plateau erzeugt – zwei Phasenübergänge, die nacheinander stattfinden, sichtbar als leichte Plateau-Stufe. Das ist natürlich unerwünscht. Dem begegnet man durch behutsames Einrühren vor dem Erstarren (um Oxid zu zerbrechen) oder durch Zusatz eines kleinen „Opferplättchens“ aus Al, das bevorzugt oxidiert. Insgesamt erfordert der Aluminium-Fixpunkt sehr viel Sorgfalt, liefert aber einen klar definierten Referenzwert für die obersten Temperaturen eines SPRT.
Erstarrungspunkt von Silber (961,78 °C)
Physikalische Bedeutung: Reines Silber (Ag) hat einen Erstarrungspunkt bei 961,78 °C (1234,93 K). Dies ist der höchste definierte Temperatur-Fixpunkt der ITS-90, der mittels Kontaktthermometrie realisiert wird. Oberhalb davon geht die Skala in den optischen Bereich über: Ab dem Silberpunkt wird T_{90} durch Anwendung des Planckschen Strahlungsgesetzes an einem Schwarzkörper definiert, wobei der Silber-, Gold- oder Kupferpunkt als Referenz dienen kann. Mit anderen Worten: Bei ~962 °C endet der Bereich, den man mit SPRTs voll abdecken kann; darüber verwendet man Pyrometer (z.B. wird der Goldpunkt ~1064 °C und der Kupferpunkt ~1084 °C als Kalibrierreferenzen für Strahlungsthermometer herangezogen). Der Silber-Fixpunkt ist somit der Übergangspunkt und erlaubt es, SPRTs bzw. andere Sensoren noch knapp bis 1000 °C zu kalibrieren. In Kalibrierabläufen wird er selten für Standard-SPRTs angewandt (viele SPRTs gehen nur bis 660 °C), aber für spezielle Hochtemperatur-SPRTs kann eine Kalibrierung bis 961,78 °C erfolgen. Ein vollständiger ITS-90-Kalibrierverlauf bis zum Silberpunkt würde Temperatur-Fixpunkte bei 0,01 °C, 231 °C (Sn), 419 °C (Zn), 660 °C (Al) und 961 °C (Ag) umfassen.
Realisierung: Die Realisierung des Silber-Fixpunkts erfordert eine hochentwickelte Apparatur. Typischerweise nutzt man einen Dreizonen-Vertikalofen oder einen isothermen Blockofen mit exzellenter Temperaturgleichmäßigkeit. Manche Labore setzen auch sogenannte Heat-Pipe-Öfen ein – diese verwenden z.B. Natrium als Arbeitsmedium, um bei ~1000 °C eine sehr homogene Temperaturzone zu erzeugen. Die Silber-Fixpunktzelle besteht aus einem Graphittiegel, der hochreines Silber enthält (oft ~1 kg, um eine lange Plateauzeit zu sichern). Der Tiegel hat wiederum ein zentrales Graphit-Tauchrohr für das Thermometer. Graphit ist unabdingbar, weil Silber bei hohen Temperaturen reaktiv sein kann (es löst z.B. Sauerstoff stark) und mit anderen Materialien (Keramik, Metall) interagieren würde. Graphit hingegen kann zwar von flüssigem Silber etwas Kohlenstoff aufnehmen, was aber minimal ist. Die Zelle wird gewöhnlich unter Schutzgas (Argon) betrieben oder evtl. evakuiert, um Oxidation zu vermeiden – Silber nimmt Sauerstoff aus der Luft begierig auf, was zu Störungen führen kann. Für die Durchführung wird das Silber zunächst aufgeschmolzen (~970-980 °C, um sicher zu stellen, dass wirklich alles flüssig ist). Dann wird abgekühlt. Um einen Startkeim zu bekommen, wird häufig die „kalter Stab“-Methode (Super-Cool) angewandt: Man zieht das Thermometer kurz heraus und führt einen gekühlten Quarzstab in das Tauchrohr ein, der das flüssige Silber an einem Punkt schlagartig unterkühlt und einen Erstarrungskristall erzeugt. Alternativ wird die Zelle vom Ofen genommen und an der Oberfläche angeblasen – Hauptsache, es entsteht ein fester Silberkeim. Sofort danach setzt man die Zelle zurück in den Ofen (bzw. zieht den Stab heraus und bringt das Thermometer wieder ein) und hält die Temperatur knapp unter dem FP. Das Silber erstarrt nun langsam vom Nukleationspunkt aus. Die Temperatur steigt auf 961,78 °C und bleibt dort. Durch geeignete Ofensteuerung kann man in dieser Phase messen. Allerdings hat man beim Silberpunkt das Problem, dass die Widerstandsthermometer selbst driften, wenn sie so lange so hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Daher wird in der Praxis oft ein kurzer Messzyklus bevorzugt: z.B. nur 50 % der Metallmenge erstarren lassen (Plateaudauer vielleicht 1-2 Stunden) und dann zügig beenden, um das SPRT nicht unnötig zu belasten. Die Aussagekraft ist dennoch gegeben, da der Plateauwert identisch bleibt, solange noch feste und flüssige Phase koexistieren.
Unsicherheiten und SPRT-Drift: Der Silber-Fixpunkt an sich ist genauso definierbar wie die anderen Metallpunkte, aber die erzielbare Gesamtunsicherheit ist meist am größten. Ein wesentlicher limitierender Faktor ist – wie erwähnt – das Verhalten der Thermometer: Standard-Platin-Widerstände neigen ab ~660 °C zu Alterung (Korngrenzwanderung, Spannungsrelaxation im Draht, Begasen der Hüllatmosphäre). Bei ~962 °C beschleunigen sich diese Effekte. Es wurde beobachtet, dass ein Hochtemperatur-SPRT schon bei 961 °C eine Drift von z.B. ≈10 mK innerhalb von 24 Stunden erfahren kann. Zieht man ein solches Thermometer abrupt aus dem heißen Temperatur-Fixpunkt heraus, ändern sich seine Eigenschaften sprunghaft (mechanische Spannungen entladen sich); Berichte nennen z.B. einen Sprung von +35 mK am Wasser-Tripelpunkt-Widerstand nach schockartigem Abkühlen von 961 °C auf Raumtemperatur. Daher gehen Kalibrierlaboratorien sehr vorsichtig vor: Man begrenzt die Plateauzeit (oft max. 4-6 Stunden am Silberpunkt) , kühlt Thermometer nicht zu schnell ab und unterzieht sie anschließend einer gezielten Temperatur-Relaxation/Annealing (z.B. 24 h bei 450-650 °C, langsames Abkühlen) , um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Trotz dieser Schwierigkeiten kann man den Silberpunkt mit einer Standardunsicherheit von ein paar Millikelvin realisieren. Die Reproduzierbarkeit zwischen verschiedenen Instituten liegt vielleicht bei ±5 mK, was aber auf 962 °C bezogen immer noch äußerst genau ist (~5 ppm relativ). In Kalibrierscheinen für SPRTs bis 960 °C wird häufig eine erweiterte Unsicherheit von einigen zehntel °C angegeben, worin aber die Langzeitstabilität des Thermometers und andere Beiträge eingerechnet sind. Der Temperatur-Fixpunkt selbst ist deutlich präziser. – Verunreinigungen: Silber muss in höchster Reinheit (6N) vorliegen, damit der Erstarrungspunkt korrekt ist. Unedle Verunreinigungen (Pb, Cu etc.) senken ihn, was jedoch bei 6N-Ag kaum ins Gewicht fällt. Eine größere Rolle spielt, wie erwähnt, gelöster Sauerstoff: Flüssiges Silber löst etwa 20 cm³ O₂ pro 100 g Ag bei 962 °C – das ist beträchtlich. Wenn die Schmelze abkühlt, sinkt die Löslichkeit und der Sauerstoff entweicht, was zu sogenannten „Spratzern“ führen kann (das Silber kann förmlich aufpoppen). Um dies zu verhindern, hält man die Zelle unter Argon (O₂-frei) und wenn möglich unter leichtem Überdruck, sodass gar kein Sauerstoff ins Metall gelangt. Graphit hilft hier ebenfalls, da es O₂ bindet. Ein weiteres Phänomen ist das Phasenübergangsverhalten in Gegenwart von Wandreaktionen: Graphit kann in Silber minimal lösen; beim Erstarren kann es zur Bildung einer dünnen Karbidschicht kommen, die u.U. zwei simultane Erstarrungsfronten erzeugt (eine außen an der Tiegelwand, eine innen am Einsatz). Dies würde ein nicht völlig flaches Plateau verursachen. Moderne Zellen haben aber Konstruktionsmerkmale, um das zu vermeiden (z.B. spezielle Beschichtungen oder definierte Kühlstellen). Schließlich wird auch beim Silberpunkt das Plateau auf Neigung überwacht, um eventuelle Verunreinigungen zu erkennen. Insgesamt ist der Silber-Fixpunkt trotz seiner Herausforderungen ein eindeutig definierter und reproduzierbarer Temperatur-Fixpunkt – er erfordert nur deutlich mehr Erfahrung und Sorgfalt in der Handhabung.
Hinweis: Oberhalb des Silberpunktes verlässt man die Domäne der Widerstandsthermometrie. Die ITS‑90 definiert für T > 961,78 °C Temperaturen mittels Strahlungspyrometrie – dazu wird ein Schwarzkörper auf z.B. Silber-, Gold- oder Kupfer-Fixpunkttemperatur referenziert und danach über das plancksche Gesetz die höheren Temperaturen gemessen. Somit sind Silber (961 °C), Gold (1064 °C) und Kupfer (1084 °C) zwar ebenfalls Temperatur-Fixpunkte, aber sie dienen in erster Linie als Referenzpunkte für die optische Skala (für hohe Temperaturen), während im Bereich bis Silber alle Temperatur-Fixpunkte für Kontaktthermometer (SPRTs) benutzt werden. Die hier beschriebenen Verfahren gelten im Prinzip auch für Gold und Kupfer, doch praktisch werden SPRTs nicht bis dorthin betrieben. Stattdessen werden ab ~962 °C bevorzugt Thermoelemente oder Pyrometer mit Hilfe dieser Temperatur-Fixpunkte kalibriert.
Zusammenfassung
Die Temperatur-Fixpunkte der ITS-90 von -190 °C bis ~1000 °C bilden ein durchgängiges Netz an definierten Temperaturen. Jeder Temperatur-Fixpunkt ist durch eine spezifische Phasenumwandlung eines reinen Stoffes gekennzeichnet und weltweit einheitlich festgelegt. Durch Kalibrierung von Standard-Platin-Widerstandsthermometern (SPRT )an mehreren dieser Punkte kann man die ITS-90 im gesamten Bereich approximieren und hochpräzise Temperaturmessungen durchführen. Die erreichbaren Unsicherheiten sind beeindruckend: Vom Mikrokelvinbereich (Wasser-Tripelpunkt) über einige 0,1 mK (Gallium, Quecksilber) bis zu einigen mK (Aluminium, Silber). Wichtig ist jedoch, dass diese Genauigkeit nur mit ausgefeilter Technik, reinen Materialien und erfahrenen Anwendern realisiert wird. Faktoren wie hydrostatischer Druck, Selbst-Erwärmung des SPRT, Wärmeableitung, Verunreinigungen oder Isotopen-Effekte müssen berücksichtigt und korrigiert werden, um die Nennwerte der Temperatur-Fixpunkte zu erreichen. Die ITS-90 stellt hierzu ausführliche Guides und Korrekturformeln bereit, sodass unter Standardbedingungen gute Resultate erzielt werden. Die beschriebenen Temperatur-Fixpunkt-Zellen und Kalibrierverfahren sind heute der Standard der präzisen Temperatur-Metrologie – von nationalen Normale über Kalibrierlabore bis hin zu hochwertigen Industrie-Messeinrichtungen gewährleisten sie eine einheitliche Temperaturskala mit hoher Zuverlässigkeit und Genauigkeit.
Quellen
- CCT Guidebooks: Guides to Thermometry – Bureau International des Poids et Mesures
Guide to the Realization of the ITS-90:
Part 1 – Introduction (2018)
Part 2.1 – Fixed points: Influence of impurities (2018)
Part 2.2 – Triple point of water (2018)
Part 2.3 – Cryogenic fixed points (2018)
Part 2.4 – Metal fixed points for contact thermometry (2021)
Part 5 – Platinum resistance thermometry (2021)
- Walter Blanke: Die Internationale Temperaturskala von 1990: ITS-90
- Thomas Klasmeier: Tabellenbuch „Temperatur“, Ausgabe 3
- G. F. Strouse: NIST Special Publication 250-81, Standard Platinum Resistance Thermometer Calibrations from the Ar TP to the Ag FP
- Henry E. Sostmann and John P. Tavener: FUNDAMENTALS OF THERMOMETRY – PART II – FIXED POINTS OF THE ITS—90 – CONFIDENCE IN THE METAL FREEZING POINTS OF ITS—90