Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90)

Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) ist eine weltweit anerkannte Temperaturskala, die von der Internationalen Kommission für Maße und Gewichte (CIPM) eingeführt wurde. Sie dient als globaler Standard für präzise Temperaturmessungen und basiert auf dem Konzept der thermodynamischen Temperatur. Die ITS-90 ist eine überarbeitete Version der vorherigen Internationale Praktische Temperaturskala von 1968 (IPTS-68).

In der ITS-90 werden verschiedene genau festgelegte Temperatur-Fixpunkte und Interpolationsverfahren zur Bestimmung von Temperaturen verwendet. Temperatur-Fixpunkte sind die Temperaturen von Phasenübergängen bestimmter Substanzen, wie beispielsweise Erstarrungs- oder Tripelpunkte. 

Die ITS-90 verwendet die Kelvin-Skala (K) als Einheit und löst damit die in der IPTS-68 verwendete Celsius-Skala ab. Allerdings werden beide Einheiten weiterhin genutzt, wobei 1 Kelvin-Grad und 1 Celsius-Grad die gleiche Größe haben und der Celsius-Nullpunkt bei 273,15 K liegt.

Um von der Kelvin-Skala (K) auf die Celsius-Skala (°C) umzurechnen, ziehen Sie einfach 273,15 von der Temperatur in Kelvin ab: T(°C) = T(K) – 273,15.

Temperatur-Fixpunkte der ITS-90

Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) verwendet verschiedene „Temperatur-Fixpunkte“ als definierte Temperaturen. Ein Temperatur-Fixpunkt ist eine Temperatur, die durch ein bestimmtes, reproduzierbares physikalisches Ereignis gekennzeichnet ist, wie zum Beispiel eine Phasenänderung eines bestimmten Stoffes.

Die Internationalen Temperaturskala von 1990 (ITS-90) verwendet Tripelpunkte, Schmelzpunkte und Erstarrungspunkte:

  • Tripelpunkt: Der Tripelpunkt eines Stoffes ist die einzigartige Temperatur und der einzigartige Druck, bei denen die drei Phasen eines Stoffes – fest, flüssig und gasförmig – im Gleichgewicht existieren können. Bei dieser speziellen Temperatur- und Druckkombination kann ein Stoff gleichzeitig als Feststoff, Flüssigkeit und Gas existieren. Ein bekanntes Beispiel für einen Tripelpunkt ist der des Wassers, der bei einer Temperatur von 0,01 °C (273,16 K) und einem spezifischen Druck von 611,657 Pascal erreicht wird.
  • Schmelzpunkt: Der Schmelzpunkt ist die Temperatur, bei der ein fester Stoff zu schmelzen beginnt und in einen flüssigen Zustand übergeht. Diese Temperatur ist spezifisch für jeden Stoff und wird unter Normaldruck gemessen. Die ITS-90 verwendet beispielsweise den Schmelzpunkt von Gallium, der bei 29,7646 °C liegt.
  • Erstarrungspunkt: Der Erstarrungspunkt ist die Temperatur, bei der eine Flüssigkeit zu erstarren beginnt und in einen festen Zustand übergeht. Der Erstarrungspunkt von Aluminium liegt beispielsweise bei 660,323 °C.

Hier sind die wichtigsten Temperatur-Fixpunkte, die von der ITS-90 verwendet werden:

Die Kalibrierbereiche der ITS-90

Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) legt nicht nur die definierenden Temperatur-Fixpunkte mit den entsprechenden Temperaturen fest, an denen Thermometer kalibriert werden, sondern auch die entsprechenden Kalibrierbereiche.

Es gibt per Definition zwei Bereiche: einen für den negativen Temperaturbereich, der bei circa 13 K beginnt und bis zum Wasser-Tripelpunkt bei 0,01 °C reicht, sowie einen für den positiven Temperaturbereich. Letzterer beginnt beim Wasser-Tripelpunkt bei 0,01 °C (bzw. im Bereich vom Quecksilber-Tripelpunkt bei -38,8344 °C bis zum Gallium-Schmelzpunkt bei 29,7646 °C) und reicht bis zum Silber-Erstarrungspunkt bei 961,78 °C.

Je nach Temperaturbereich werden die Parameter für die ITS-90-Abweichungsfunktion definiert. Im Bereich vom Argon-Tripelpunkt bis zur Erstarrung von Silber werden die Parameter a, b, c und d verwendet. Dieser Temperaturbereich ist gleichzeitig der praktische Bereich, der in Kalibrierlaboren zum Kalibrieren von Thermometern genutzt wird. In extremen Bereichen bei sehr niedrigen Temperaturen, wie etwa dem Sauerstoff-Tripelpunkt, gibt es zusätzlich den Parameter ci, der jedoch nur bei diesen extremen Temperaturen verwendet wird.

Die Grafik gibt eine visuelle Darstellung der entsprechenden definierenden ITS-90-Temperaturen an den Temperatur-Fixpunkten sowie der dazugehörigen Temperaturen. Beispielsweise beträgt die Temperatur des Aluminium-Erstarrungspunktes 660,323 °C.

Es ist wichtig zu wissen, dass man mit Thermometern, die an den ITS-90-Temperaturfixpunkten kalibriert wurden, nicht extrapolieren, sondern nur interpolieren darf.

Das bedeutet, wenn beispielsweise eine Temperatur von etwa 500 °C gemessen werden soll, dann muss der höchste Kalibrierpunkt der Aluminium-Erstarrungspunkt bei 660,323 °C sein und nicht der Zink-Erstarrungspunkt bei 419,527 °C. Denn bei den 419 °C müsste man bis zu den 500 °C extrapolieren. Daher wird der Bereich stets so gewählt, dass die zu messende Temperatur durch Interpolation berechnet werden kann.

In der Grafik sind die entsprechenden Kalibrierbereiche schematisch dargestellt. In unserem Beispiel würde das bedeuten, dass wenn bei 500 °C gemessen werden soll, wir den Kalibrierbereich bis zum Aluminium-Erstarrungspunkt bei 660,323 °C verwenden und entsprechend bei Aluminium, Zink, Zinn und am Wasser-Tripelpunkt kalibrieren müssten. Dies wäre in der Darstellung der zweite Kalibrierbereich von rechts.

Die weißen Punkte stellen die notwendigen Temperatur-Fixpunkte zur Kalibrierung dar. Die Temperaturfixpunkte bei der Erstarrung von Indium und am Gallium-Schmelzpunkt wären also nicht notwendig. Sie fließen in die Kalibrierung und die spätere Berechnung der Kennlinie – d.h., der Abweichungsfunktion und der Referenzfunktion der Internationalen Temperaturskala von 1990 (ITS-90) – nicht ein.

Die ITS-90 im Alltag anwenden

Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) wird im Alltag eines Temperaturkalibrierlabors nahezu täglich angewendet. Oftmals ist den Benutzern dieser Tatsache jedoch nicht bewusst, da die Mathematik der ITS-90 in den Temperaturmessgeräten und Messbrücken eingebettet sind und im Hintergrund ablaufen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Temperatur nicht direkt gemessen werden kann, sondern beispielsweise über den Widerstand eines Materials berechnet wird. Die ITS-90 enthält die mathematischen Grundlagen zur Berechnung von Temperaturen aus den Widerstandsmessungen von Normal-Thermometern (SPRT) der ITS-90.

Es kommt häufig die Frage auf, wie die ITS-90 im Arbeitsalltag eines Labors als Kennlinie sinnvoll eingesetzt werden kann.

Daher werde ich in diesem Blogbeitrag anhand eines Beispiels zeigen, wie mithilfe der ITS-90 aus gemessenen Widerständen die entsprechende Temperatur berechnet werden kann. In meinen Seminaren erläutere ich dieses Beispiel gerne ausführlich.

Die ITS-90 verwendet sogenannte W-Werte, welche das Verhältnis des gemessenen Widerstands zum zuletzt bekannten Wert des Wassertripelpunkts darstellen. Mithilfe dieses berechneten W-Werts und der aus der ITS-90 abgeleiteten Referenz- und Abweichungsfunktionen können Temperaturen bestimmt werden. Die Berechnung des W-Werts erfolgt gemäß der folgenden Formel:

Dabei repräsentiert R(T90) den gemessenen Widerstand bei der Temperatur T90, und R(273,16 K) steht für den Widerstand am Wassertripelpunkt (genauer gesagt bei 273,16 Kelvin).

In dem nächsten Rechenschritt werden die Referenzfunktionen (10a und 10b) sowie die Abweichungsfunktion (14) benötigt, die gemäß der ITS-90 (International Temperature Scale of 1990) definiert wurden. Wir verwenden nur die Funktionen, die für unseren Temperaturbereich relevant sind.

Referenzfunktionen:

Die Referenzfunktion wird mit folgenden Parametern verwendet:

Die Abweichungsfunktion lautet wie folgt:

Die Gleichungen und Tabellen sind der Veröffentlichung der ITS-90 von Walter Blanke entnommen (siehe Quellenangaben).

ITS-90 Rechenbeispiel

Nehmen wir an, Sie messen einen Widerstandswert von 31,1428 Ohm. Aus dem Kalibrierzertifikat entnehmen Sie folgende Angaben:

R(0,01°C) = 25,1648 Ohm

a = -1,6093e-03
b = 1,9911e-03

Zunächst berechnen Sie den W-Wert:

W(t90) = R(t90) / R(0,01°C)
W(t90) = 31,1428 Ohm / 25,1648 Ohm
W(t90) = 1,23755404

Mit der Abweichungsfunktion (14) können Sie dann den Wr(t90) Wert berechnen:

Wr(t90) = 1,237824

Mit dem ermittelten Wert können Sie jetzt anhand der Referenzfunktion (10b) die Temperatur t90 berechnen:

t90 = 60,1873°C

Auf diese Art und Weise kann die dazugehörige Temperatur aus dem gemessenen Widerstandswert berechnet werden.

Bezugsquellen der ITS-90

Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) kann an mehreren Stellen bezogen werden:

  1. Das deutsche Originaldokument: Blanke, Walter. Die Internationale Temperaturskala von 1990: ITS-90. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Wirtschaftsverlag NW, Verlag für Neue Wissenschaft, Braunschweig, 1989. [ISBN 3-89429-040-4].
  2. Eine digitale Version des Originaldokuments ist verfügbar beim National Institute of Standards and Technology (NIST). Hier finden Sie das Dokument.
  3. PTB-Website: Die Umsetzung von ITS-90 in Deutschland und weitere Informationen finden Sie auf der Website der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Hier geht es zur PTB-Website.
  4. Wikipedia: Der Wikipedia-Artikel zu ITS-90 bietet einen guten Überblick und kann eine gute Anlaufstelle für diejenigen sein, die neu im Thema sind. Hier geht es zum Wikipedia-Artikel.
  5. ITS-90-Website: Diese Webseite bietet viele nützliche Informationen über ITS-90 und ist eine großartige Ressource für alle, die mehr über das Thema wissen möchten. Hier geht es zur ITS-90-Website.

Quellen:


Thomas Klasmeier

Über den Autor

Thomas Klasmeier ist seit über 20 Jahren als Metrologe und Ingenieur tätig, mit einem Schwerpunkt auf präziser Temperaturmessung. Als Unternehmer betreibt er ein Temperatur-Kalibrierlabor und produziert Präzisionsthermometer.

Darüber hinaus teilt er sein Wissen sehr gerne. Er tritt regelmäßig als Referent bei Seminaren und Fachtagungen auf, um sein Fachwissen weiterzugeben und zu diskutieren. Zudem ist er Autor des „Tabellenbuch Temperatur“.

Kommentare

Eine Antwort zu „Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90)“

  1. […] Die Internationale Temperaturskala von 1990 (ITS-90) definiert die Temperaturskala neun Fixpunkte im Bereich von -189,3442°C (Tripelpunkt von Argon) bis 961,78°C (Erstarrungspunkt von Silber). Diese Fixpunkte sind thermodynamische Gleichgewichtszustände während der Phasenübergänge reiner Substanzen. […]